Wie doch immer wieder Erwartungen und Hoffnungen eng beieinander liegen, dazu gesellen sich unterschiedlichste Ausgangspunkte und Blickwinkel eines jeden Einzelnen.
Einige in unserer Truppe hatten nur das gezeichnete Bild der Medien über Russland vor Augen, waren noch nie in diesem „Riesenreich“, wenige Akteure kehrten nach gut 2 Jahrzehnten in dieses Land zurück, bei Einem war dies nun fast schon 40 Jahre her. Aber egal aus welchem Blickwinkel gesehen man diese Reise antrat, es war ein Erlebnis, ein positives dazu. Im Vorfeld nervte die ausgeklügelte Akkreditierungszeremonie fast jeden Einzelnen, zig Nachfragemails untereinander zu diesem und jenem Thema: wie komme ich da rein, was muss ich ankreuzen, warum habe ich keine Verbindung, warum funktioniert mein Browser nicht,… und und und. Zu dieser Zeit war Walter der gefragteste „Mitspieler“, mit bis ins kleinste Detail und perfekter Anleitung vorbereitet. Noch eine unbekannte Größe, bekommen alle das Russland Visa? Natürlich, auch wenn hier und da kleine Fehler beim korrekten Ausfüllen der Anträge auftraten. Der „Reisemarschall Knicki“ hatte lange im Vorwege die angenehmsten Flugrouten gebucht, nun konnte es losgehen.
Ich habe den Flughafen Scheremetjewo nicht wiedererkannt; abgelöst die damaligen dunklen, beengt wirkenden Abfertigungshallen bei der Einreise, zudem flankiert von mürrisch blickenden Grenzbeamten; heute von großen, hellen, lichtdurchfluteten Hallen, welche den ankommenden Reisenden sogleich positiv ansprechen. Nun griff auch optisch die perfekte Organisation der FINA und des Veranstalters. Große Hinweistafeln wiesen uns den Weg, für alle angereisten Masterssportler, von freundlichen jungen Frauen zur nächsten Station begleitet, ohne Umwege, direkt. Kazan-Airport, auch kein Feldflughafen, auch hier optimale Bedingungen, ein vorbereiteter Empfang, der schon wartende Shuttlebus ins Quartier. Etwas umständlich gestaltete sich die abermalige Registration/Anmeldung im Athletendorf, zur Entschuldigung gesagt, der riesige Ansturm von Sportlern unterschiedlicher Herkunft und Kontinenten, sprachliche Barrieren taten ihr Übriges. Was sich eigentlich schon auf den Flughäfen abzeichnete, auch hier in Kazan bestimmten westliche Reklame, modern gekleidete junge Menschen das Straßenbild, auch gab es noch die „Babuschka“ mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus ihren Gärten am Straßenrand und Märkten zu sehen, generell hat sich das Leben, die Szene, das Milieu weit hin nach Westen geöffnet. In den Supermärkten ein Angebot welches sich sehen lassen, wohl gemerkt, wer es sich dann auch leisten kann. Obwohl die Stadt Kazan eine über 1000jährige Geschichte besitzt, durch den Fluss Kasanka, welcher hier in Europas längsten Fluss mündet, der Wolga, in einen europäischen und tatarischen Teil geteilt ist, ist dies eine recht junge, moderne Stadt, mit vielen Neubauten und einem Bauboom, betrachtet man die unzähligen Kräne, Baustellen, Baufahrzeuge. Einzig unsere Bauberufsgenossenschaften hätten hier Probleme, keine Absperrungen, keine Gitter, keine Fangnetze, etwas Haarsträubend, nicht zu verwechseln mit Haarstick, unserem kleinen Helden.
Dennoch muss gesagt werden, soweit sich das Leben auch in diese Richtung verändert haben mag, eines ist geblieben. Lenin`s Spruch: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, dies haben alle Sportler an jedem Tag ihres Aufenthaltes leibhaftig wahrnehmen können. Installierte Detektoren an jedem Checkpoint zu den Wettkampfstätten und Athletendorf, sorgten für Sicherheit, je nach Temperament der „Ordnungshüter“ mal nervig, meistens aber lächelnd hingenommen, denn es diente unserer Sicherheit. Die Shuttlebusse waren versiegelt, jede sich öffnen lassende Klappe mit blauem Signalband versehen, vor Einfahrt in die Sportstätten wurden die Busse abgespiegelt, ähnlich wie damals an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, ob nun Helmstedt/Marienborn oder Bebra/Gerstungen, usw. Unverständnis, aber auch aberwitzig, dass von außerhalb Mitgebrachtes, ob nun Kekse, Schokolade oder Obst, nicht ins Athletendorf eingeführt werden durfte, entweder vernichten (Papierkorb) oder aufessen. Auch die reichlich verbreiteten und aromatischen Sünden wie Alkohol und Tabak waren in allen Sportstätten und der Wohnanlage verboten.
So fristete manche Whiskyflasche unter staatlicher Obhut gesichert ihr Dasein, bis der Geist aus ihrem Inneren wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Je nach Interessenlage, körperlichem Zustand wurden auch die freien Stunden genutzt, die Stadt näher kennenzulernen. Freie Fahrt mit unseren Billets, wirkliche Sehenswürdigkeiten betrachten, die kulturellen und religiösen Unterschiede der einzelnen Volksgruppen bewundern, volles Programm an Kultur und Vermittlung von Wissen und Interessantem. Die Leute hilfsbereit, freundlich, haperte es wieder einmal sprachlich, dann fand sich immer einer, welcher per Handy oder anderer Hilfsmittel uns weiter half. Auf unsere Spiele gehe ich bewusst nicht ein, da wurde Zeitnah berichtet, nur so viel, alle sind mit einer Medaille zurückgekehrt, einige überraschend, andere nur mit anderer Farbe als erhofft. Eine solche Meisterschaft, mit einem solchen Engagement, einer Superorganisation, diesem technischen Aufwand, einschließlich der Siegerehrung mit Livebildern auf Großbildleinwänden, so etwas hat noch keiner mitgemacht, miterlebt. Dafür gebührt den Veranstaltern unser aller Dank. Allen Spielern nochmal meine Gratulation, mein Dank an Walter, Claus und unserem Coach, den verletzten Spielern gute Besserung und einen optimalen Heilungsverlauf, einen lieben Gruß an unsere Fans, welche egal auf irgendeiner Weise die Spiele verfolgt und uns die Daumen gedrückt, am Ende der Reise uns wieder in Hamburg empfangen haben.
Ekke Kienemann
August 2015