Der Spielfilm des Lebens:
Wir schrieben das Jahr 1959. Bernhard Biddrich, der Vollblut-Wasserballtrainer von Poseidon, hatte parallel zur Betreuung der Männer in den letzten Jahren eine starke Jugendmannschaft aufgebaut. Bei der Deutschen Jugendwasserball - Endrunde im Vorjahr hatte es für Poseidon Platz drei gegeben, jetzt wurde die Deutsche Vizemeisterschaft erzielt. Das war Ende August 1959 in Hamm/Westf. Mit viel Lob und Anerkennung kamen folgende Spieler nach Hamburg zurück: Günter Scheuermann (Torwart), Jürgen Meffert, Winfried Dähn, Rolf Quast, Jürgen Lang, Klaus Katzenstein, Dietrich Mittelstädt. Trainer: Bernhard Biddrich. Nur die Wasserballhochburg Hamm behauptete sich vor Poseidon, Bayer 08 Uerdingen und der SV Cannstatt konnten von Poseidon abgehängt werden. Die Kulisse in Hamm war prächtig. Mehrere tausend Zuschauer füllten die Ränge des Jahnfreibades.Internationales Turnier in Amsterdam
Zum Internationalen Turnier seiner Männermannschaft in Amsterdam im Oktober, nur einen Monat später, kam von Bernhard Biddrich folgende Anweisung, kurz und bündig: „Wir verjüngen!“ Das war die Stunde für Klaus Katzenstein, der gerade 17 Jahre alt geworden war, auch für Jürgen Meffert und Winfried Dähn. Das Gesicht der Männermannschaft, seit 1956 kontinuierlich Hamburger Meister, bekam nun folgendes Aussehen: Günter Schwill (Torwart), Dieter Janssen (Kapitän), Kurt Meier (Sturmtank), Heinz Abrat und Jürgen Meffert (beide Linkshänder), Winfried Dähn und Klaus Katzenstein (das Konditionswunder, der Mann der 200 m Delphin). Ältere Spieler, wie Bruno Liedtke und Jochen Brockmann beispielsweise, saßen nur noch einsatzbereit auf der Bank. Die neue Formation erwies sich als Volltreffer. Poseidon wurde Turniersieger und brachte den Harthoorn-Pokal nach Hamburg. Einem glatten 4:1-Sieg gegen Ausrichter Het Y Amsterdam folgte ein dramatisches Finale gegen Zwemlust Utrecht. Diese hatten zuvor den holländischen Meister Den Haag mit 5:4 ausgeschaltet. Das Finale endete 2:2 und musste im Penalty-Schießen entschieden werden. Alle sechs Poseidon-Feldspieler prüften nacheinander den gegnerischen Torwart. Doch der Start war miserabel. Mit einem Lattenschuss und einem Schuss übers Tor startete Poseidon. Glücklicherweise gab es danach wenigstens noch vier Treffer. Doch diese vier Tore schossen schon die ersten vier Utrechter Spieler. Beim fünften Spieler dann eine tolle Torwart-Parade, der sechste Holländer zeigte Nerven und verschoss. 4:4 endete das erste Penalty-Schießen, es mussten noch einmal alle Spieler neu antreten. Diesmal trafen alle Poseidon-Spieler, nur dem letzten wurde das Tor nicht gegeben, da er den Wurf verzögert hatte. Nun war die Chance für Poseidon zu gewinnen riesengroß, denn auf den Holländern lastete großer Druck, nachdem so junge Spieler aus Hamburg so eiskalt ins Tor getroffen hatten! Alle Poseidonen waren jetzt dicht zusammengerückt, die Erfahrenen und die jungen Wilden und drückten ihrem Torwart die Daumen. 1. Schuss – Latte, 2. Schuss - Parade! Das Spiel war entschieden. Poseidon Hamburg wurde Turniersieger! Auf dieser erfolgreichen Reise wuchs eine starke emotionale Beziehung zu Klaus Katzenstein, zu meinem Hamburger Nachbarn. In der Hansestadt gab es für unsere neuformierte Mannschaft keinen gleichwertigen Gegner mehr. Die Meisterschaft wurde von nun an Jahr für Jahr überlegen gewonnen. Anders in der Oberliga Nord, der höchsten norddeutschen Spielklasse. Hier wollte ein Erfolg gegen Wasserfreunde 98 Hannover einfach nicht gelingen. Wir galten als ewiger norddeutscher Vizemeister, lagen stets vor den Bremer und Berliner Clubs. Inzwischen war Bundestrainer Miklos Sarkany, der ungarische Doppel-Olympiasieger von 1932 und 1936, auf „Katze“ aufmerksam geworden und setzte ihn Anfang April 1961 im Länderspiel gegen die UdSSR in Moskau ein. Aber für den jungen Poseidonen war diese internationale Feuertaufe in Moskau noch keine Stammplatzgarantie. Nur Katze sah das anders. Zum nächsten Länderspiel gegen Schweden in Hamburg hatte Klaus mit stolzgeschwellter Brust alle Freunde benachrichtigt, um ihnen seinen Auftritt im Nationalteam vorzuführen. Es kam aber zu einer riesengroßen Enttäuschung, denn Klaus wurde nicht berücksichtigt, ausgerechnet in Hamburg. Seinen Frust ließ er daraufhin deutlich vernehmen, wodurch er selbst sein Kapitel Nationalmannschaft abschloss.Neue Ziele, Aufgaben, Pflichten
Als junger und flotter Student der Wirtschaftswissenschaften, der er jetzt war, suchte sich Katze neue Ziele, die ihn reizten. Mit Begeisterung nahm er an der einwöchigen Reise der Hamburger Stadtmannschaft nach Dänemark teil, die zu Spielen in Odense, Helsingör und Kopenhagen führte. Zwei siegreiche Spiele gegen die dänische Nationalmannschaft zählten zu den Höhepunkten der auch sonst an Erlebnissen nicht armen Reise.Universiade - Fehlanzeige
Katze und ich waren die beiden Universitäts-Studenten unserer Poseidon-Mannschaft, die sich große Hoffnungen machten, zur Universiade 1961 in Sofia (Bulgarien) berufen zu werden. Ein Blick durch die Spieler-Listen der führenden deutschen Mannschaften versprach uns große Chancen. Doch welche Enttäuschung. Der Deutsche Hochschulbund (DHB) hatte keine Wasserball-Mannschaft gemeldet. Der zuständige Teamchef Walther Tröger aus München hatte nur Spieler aus dem süddeutschen Raum zusammengezogen, die ihm wohl als zu leistungsschwach erschienen. Wir „Nordlichter“ passten gar nicht in sein lokalpatriotisches Konzept. Ihm schien unsere Anreise viel zu weit (und zu teuer). Wenig später setzte mich ein Verkehrsunfall für längere Zeit außer Gefecht, Klaus hatte seine Uta kennen gelernt und heiratete. Der Stammhalter Jan ließ nicht lange auf sich warten. Als ich diesen kräftigen neuen Erdenbürger von Uta in Händen hielt, wurde mir schlagartig klar: Das Kind bringt viel Freude und Poseidon vielleicht einen neuen Wasserballspieler, aber Klaus wird jetzt kürzertreten müssen. Universitär kreuzten sich unsere Wege bei der Gemeinschaftsvorlesung von Prof. Dr. Karl-Friedrich von Weizsäcker über Platon und die Philosophie der alten Griechen. Von Haus aus eigentlich Atomphysiker mit Lehrstuhl in Göttingen, war von Weizsäcker gerade nach Hamburg auf den Lehrstuhl für Philosophie gewechselt. Jeweils am Donnerstagabend um 20 Uhr sprach er interessierte Studenten aller Fakultäten an. Das Auditorium maximum war stets mit über 2000 Hörern mehr als gefüllt, die Studenten saßen selbst auf den Treppenstufen. Klaus reduzierte seine Trainingseinheiten, um im Studium zeitlich keine Einbußen zu erleiden. Dennoch erinnere ich mich an verschiedene Highlights, die wir zusammen erlebten. Anfang Dezember 1962 gab es beispielsweise in Berlin einen Drei-Städtekampf zwischen Hamburg, München und Berlin. Das Wasserball-Turnier konnten wir nach 6:4-Sieg gegen München und mit dem 5:5 gegen Berlin für Hamburg entscheiden und damit viele Punkte in die Gesamtwertung einbringen. Neun der elf Auswahlspieler kamen vom SV Poseidon (Schwill, Katzenstein, Abrat, Janssen, Meffert, Hornung, K. Meier, Dähn und Henry Kiel, der vom HSC ins Poseidon-Lager gewechselt war. Vom Hamburger SC kamen zur Verstärkung der bekannte Rückenschwimmer Wedler und Diedrich.Bei diesem Städtekampf in Berlin-Wilmersdorf startete Klaus zusätzlich zum Wasserball auch als Einzel- und Staffelschwimmer. Er galt als bester Hamburger Delphinschwimmer über 200 Meter. Aber den aus München kommenden Deutschen Meister Hermann Lotter (2:20,5 min) konnte er nicht halten. In der Lagenstaffel schwamm Katze auch noch die 100 m – Strecke.